Folge 6 Staffel 3

Folge hören

Skript Download
deutsch.doc deutsch.pdf

**** DEUTSCH

tier: Rampe?

SR: Reicht!

tier: Ein visueller Podcast über…

SR: Wir sprechen heute über ein Thema das ziemlich kompliziert ist, und zwar sprechen wir über das einsperren, wegsperren, freedom. Unfreedom, Frei-sein, Nichtfrei-sein, und das aus Behindertenperspektive, aus Schwarzen Perspektive, aber vor allem zwischen all dem, und werden uns auf ein Lied beziehen, was viele Gedanken dazu angestoßen hat, und das heißt Weck Mich auf von Samy Deluxe.

Erzähler*in: Wegen Urheberrechte können wir das Lied nicht abspielen. Einen Link dazu findet ihr in der Beschreibung.

SR:Vielleicht kannst du kurz erzählen, das Thema Inhafstung, Incarceration, wie kommt das vor in Kontexten, wo bist du dem Thema zum ersten mal begegnet aus einer kritischen Perspektive? vielleicht ist das die einleitende Frage wenn man so zurückblickt.

tier: Wenn mensch zurückblickt ist in so linken Kontexten dieses Knastsystemabbauen, und genau, Knäste weg und so. Aber das weiterdenken von dem hat sich dann mir vor allem durch mich mit ME auseinanderzusetzen geformt.

(ME/CFS ist eine chronische Krankheit).

Was ich schon oft empfohlen habe die ME-Doku Unrest, da werden auch ein paar Menschen in Großbritannien interviewt, das ist jetzt schon mehrere Jahre her, aber ich finde das weiterhin relevant, ich weiß jetzt nicht was der Stand gerade ist, aber da gings vor allem um einen Fall von einer jungen Person die in der Psychiatrie eingesperrt wurde weil die Ärzte nicht geglaubt haben dass ME eine tatsächliche Krankheit ist, sondern waren so die Person ist ja völlig verrückt, und der Person ging es am besten einfach zu Hause zu sein, und das wurde dann verboten und den Eltern wurden dann das Sorgerecht entzogen und alles drum und dran, und wurde halt wirklich eingesperrt. Und ich sehe da kein großen Unterschied. Da sind verschiedene Gründe warum Menschen eingesperrt werden, aber halt auch dieses, genau das, und wenn mensch weiterdenkt mit Behinderung und so, also dass behinderte Menschen in verschiedenen Zeiten und Epochen aber auch heute weggesperrt werden in verschiedene Institutionen oder Heimen oder halt auch zu Hause.

SR: Ja voll, es ist auf jeden Fall ein Punkt den ich relevant finde. Ich muss gerade an was denken worüber, ich sage mal so, wir sind ja beide gerade in keiner Form eingesperrt. Wir haben in einem gesellschaftlichen Sinne, ja, leben wir nicht in Freiheit, aber auch nicht in Unfreedom, also nicht in Unfreiheit. Und irgendwie mag ich es wohl dass es halt Freiheit gibt, und Unfreiheit, und eingesperrt sein, also drei Ebenen. Und ich wurde sagen wir sind zwar in Unfreedom aber wir sind nicht Incarcerated. Und trotzdem ist das ein Thema das immer wieder vorkommt. Also ich glaube mein Problem mit vielen Texten aus akademischer Perspektive ist dass das ganz oft, vor allem im deutschen Kontext, von Leuten kommt die nie Knast erlebt haben oder das nicht in Familien vorkommt, oder nie gedroht hat. Deswegen finde ich es erstmals für Positionalisierung wichtig zu sagen quasi so viel oder wenig wie wir teilen mögen, inwiefern kam Einsperrung als Thema in unserem Leben vor. Magst du anfangen oder soll ich?

tier: Ich kann gerne anfangen, also in, jetzt sage ich mal, direkter familiären Umfeld halt nicht, ich habe aber schon mehrere Großeltern und vor allem Großonkel die halt in Gulags waren.

SR: Magst du kurz erzählen was Gulags sind?

tier: Gulags waren in der UdSSR, also in der Soviet Union, so Arbeitsgefängnisse in Siberien wo halt Leute Zwangsarbeit gemacht haben und eingesperrt waren für Jahre und Jahrzehnte, und da habe ich familiär bedingt Menschen die halt da eingesperrt waren und dann nach 20 Jahre rauskamen oder halt nicht, und da gibt es Geschichten die immer wieder erzählt werden von Großonkel denen das passiert ist, was wieder damit zu tun hat wo ich herkomme, geografisch gesehen.

Und bei dir?

SR: Ich mag kurz was nachfragen. Du hast ja sehr viel Armut erfahren, in den letzten Jahren vor allem. Was ja auch zusammenhängt mit Behinderung. Und da wurde das auch einmal angedroht, quasi, magst du das kurz, also nur wenn du magst, aber ich fand das relevant dafür irgendwie wie schnell das Thema werden kann.

tier: Ja ich hatte eine Phase wo ich, naja nicht unbedingt weniger Geld hatte als jetzt, also, genau, das geht jetzt schon länger, ich habe schon oft erzählt ich lebe von Sozialhilfe, und ich hatte vor mehreren Jahren eine Phase wo das mich sehr wütend gemacht hat und wo ich dann oft in so Supermärkten geklaut habe. Und da wurde ich mehrere Male erwischt. Und da drohte halt auch, also jetzt nicht direkt, aber das war schon so wenn das nochmal passiert dann konnte…

SR: Und das war, wenn du das Geld nicht bezahlst dann musst du halt Ersatzhaft machen.

Und als wir im Wald waren war das genau das Thema, im Tegel sitzen total viele Leute wegen diese verfluchten Ersatzhaftstrafen. Und Ersatzhaft ist irgendwie nicht Knast aber irgendwie halt schon. Und das ist quasi wenn du was machst, was irgendwie als nicht Lawful gesehen wird, und dir nicht leisten kannst, also wenn du dir kein Brot leisten kannst und es klaust, kannst du dir wahrscheinlich auch nicht 400 Euro strafe leisten… Weil dann hättest du das Brot nicht geklaut. Und dann muss du es quasi absitzen im Knast. Manchmal Tage, manchmal Wochen.

tier: Das ist halt trotzdem dann Knast.

SR: Es ist trotzdem in dem Knast, es ist der selbe Ort wo Leute sind die lange im Knast sind, so. Vielleicht steht auf dem Papier was anderes, aber, genau…

Und das finde ich irgendwie so beschreibend, weil dir hätte ja Knast damals nicht geholfen, du brauchtest mehr Ressourcen, mehr Umgang lernen mit Geld…

tier: Genau, Hilfe…

SR: Traumatherapie. Dinge die der Knast allesamt…

tier: Genau, das ist eben ein gutes Beispiel dafür. Knast ist keine Rehabilitation. Auch von dem Wort Rehabilitation, das wir auch nicht so mögen, weg wollen, also es gibt keinen sozialen Support in irgendeiner Art und Weise, es macht auch solche Probleme wie Armut, ausgegrenzt sein und so weiter einfach schlimmer.

SR: Es kriminalisiert Armut.

In meiner Familie kam Knast glaube ich so vor wie in vielen Schwarzen Familien, also dieses ständig drohende das darf uns niemals passieren weil drinnen sterben wir. Und gleichzeitig dieses Gefühl von es muss alles selber geregelt werden, der Staat regelt nichts. Also wenn man mit irgendwem Stress hat, muss man das selber regeln auf irgendeiner Criminal Art, weil der Staat wird nicht für meine Rechte eintreten gegenüber der Person. Und seitdem ich Kleinkind bin habe ich Angst dass mein Papa im Knast kommt in Deutschland. Das ist so eine total bestimmende Angst von dem auch wie ich ihm zurechtweise und auch sehr scharf zurechtweise, immer mit diesem Ding so du kannst dir das nicht leisten, du kannst hier nicht in Knast kommen so.

tier: Ja und die Gefahr bei deinem Papa ist ja eben auch Armut und ist auch…

ST und SR: Neurodivergenz…

tier: Die Kombination davon, also Schwarze neurodivergente Menschen, vor allem Männer, sind ja wirklich einer der gefährdetesten Gruppen was Knast und Polizeigewalt angeht.

SR: Und es ist halt irgendwie das Gleiche. Ob du jetzt… Und ich glaube es ist nicht das Gleiche im Sinne von jede einzelne Sache ist das Gleiche. Aber ob nun Fürsorge das ist was dir getan wird, oder wegsperren, es ist so ein bisschen…

<MUSIK>

SR: Ich glaube so, jetzt haben wir über so Knast gesprochen, ich glaube die nächste Ebene wäre über Unfreedom zu reden.

tier: Wie würden wir das auf deutsch übersetzen?

SR: Unfreiheit, nicht freiheit… Was damit beschrieben wird in den Black Studies ist wie so ein Zwischenraum, also du bist weder versklavt, noch bist du vollwertiger Citizen, Bürger, sondern du lebst in so einem constant State of Unfreedom, so ein konstanten Zustand, und dir wird die ganze Zeit versprochen wenn du dich genug anstrengst kannst du das haben was die freien Leute haben. Und gleichzeitig ist so ein ständig wabernder Realität und Drohung da von „Du bist aber nur soweit weg davon versklavt zu sein“… Und ich habe das Gefühl das connectet für mich sehr dort Schwarzsein und Behinderung. Weil letztendlich mit dieser Drohung von einsperren in Psychiatrie und… oder auch einfach lange Krankenhausaufenthalte, Heime und so weiter und sofort, das ist ein konstanten State of Unfreedom.

tier: Total, das passiert ja auch schnell wenn wir jetzt der vergangene Gesundheitsminister, also Spahn, der Meinung war irgendwie Assistenzleistungen dürfen nicht mehr zu Hause gemacht werden, Leute sollen in Pflegeheime… Das ist das genau…

SR: Ich glaube so einem Zustand von Unfreedom finde ich erlebt mensch in Deutschland sobald du suizidal bist. Weil es dann tatsächlich verpflichtend ist dich dann für drei Tage einzusperren. Und ich glaube das verhindert schon das Leute sich Hilfe holen. Und es verhindert vor allem so Nuancen.

tier: Ja voll, weil du kannst auch nicht irgendwie in irgendein Kontext sagen ich bin jetzt suizidal, in den meisten Kontexten…

SR: In keinen Hilfskontexten, es geht halt nicht. Und ich finde das halt so beschreibend dafür wie schnell auch Polizeigewalt in eigenen Haushalt passieren kann. Dass irgendwie ein Person ein Ausraster hat, das einmal beim falschen Hilftelefon sagt, und dann auf einmal stehen die Bullen vor die Tür.

tier: Das ist auch das absurde, dass in einem Mental Health Crisis, wenn Mensch gerade eine Krise hat, die ersten Behörden die drauf reagieren ist die Polizei. Die haben ja einfach nicht die, das ist wirklich nicht die Gruppe die die Kompetenzen dafür hat.

SR: Ne, es ist ja wortwörtlich, das steht auch so drinne, das ist das gewaltausübende Organ des Staates. Das ist ja nicht mal irgendwie Left Radical Mindset, so wird es genannt, das ist das gewaltausübende Organ des Staates. Und ich verstehe nicht wie dann die die ersten, also ich verstehe eh nicht warum es die gibt, Punkt, da fängt es schon an…

tier: Aber dass das die ersten sind die da eintreffen und, das ist keine Hilfeleistung, das macht ja eigentlich eine Krise…

SR: Jemensch der sich umbringen noch jemanden hinzuschicken der eine Waffe hat ist ein bisschen…

tier: Ja wider Logik…

SR: Die ungünstigste Reaktion den es geben kann…

<MUSIK>

 wir lesen das nicht vor weil wir das gute Texte nicht antun, aber jetzt ist die Chance kurz reinzuhören in Weck Mich Auf von Sammy Deluxe, und einfach genau also für uns wurde, nicht für mich sondern im Sinne für uns, für dich und mich gemeinsam, kam diese Musik so stark in unserem Leben, das war so sehr raumeinnehmend, und wir haben das irgendwie ganz doll gefühlt, das Unplugged.

tier: Ja wir hatten so, das war wieder so eine Umbruch Situation in der wir waren, hat was aufgehört und was neues hat angefangen, und oft begleitet uns individuell, oder auch uns zusammen dann irgendeine Musik oder irgendeine Album, und da hatten wir gerade das Sammy Deluxe Unplugged Album hoch und runtergehört.

SR: Und das hat uns gar nicht mehr losgelassen, und das war glaube ich so ein Moment wo wir uns gerade krass Freiheit erkämpft hatten ohne zu wissen was danach kommt.

Wir leben in einem Land in dem es mehr Schranken stehen als es Wege gibt

Mehr Mauern als Brücken die Stimmung ist negativ

Und die Alten fragen warum rauch ich täglich Weed

Warum sind ich und meine ganze Generation so negativ

Wir sind jeden Tag umgeben von lebenden Toten

Umgeben von Schildern die sagen betreten verboten

Umgeben von Skinheads die Afrikanern und Turken das Leben nehmen

Während Bullen daneben stehen um Probleme aus dem Weg zu gehen.

SR: Und wenn ich jetzt so zurückgucke wie Samy die Welt beschreibt, unter anderem z.B. im Weck Mich Auf, es ist halt eine Welt irgendwie volle Mauern, und eine Welt wo keine Zugänge sind, und wo du irgendwie verrückt gemacht wirst, wo verrückt sein dir zugeschrieben wird, und… Ich wurde Sammy jetzt nicht als Disability Rights Activist bezeichnen…

tier: Nö, auch in manchen Texten, auch in diesen gibt es auch ableistische… aber es ist nicht ein Sammy Problem, es ist ein…

SR: …Gesellschaftsproblem, genau, aber ich finde es so krass wie er es hinkriegt so Perspektiven zu beschreiben, weniger aus so einem: dies ist Identität A, deswegen fühle ich B, sondern eher so fühlt sich das Land an. Ich finde es so geil in dem Song, und auch sonst, dass er die Struktur beschreibt, also diese Struktur macht dass du dich unfrei fühlst. Und das kann dich als behinderte Person betreffen, als Schwarze Person betreffen… Und ich muss sagen das ist was weswegen für mich manchmal Schwarze Freiheitskämpfe einfach so ein bisschen ich sage mal elaborierter sind wie weisse Freiheitskämpfe weil diese Strukturlinse immer hilft zu sagen, es wird mehrere Gruppen betreffen, weil die Struktur ist schon so gemacht zum unterdrücken, es ist schon so gemacht für so Unfreedom, unfrei sein.

Es sind all den ganzen Hackfressen die mich jeden Tag stressen

Es sind die gleichen Leute an der Spitze, die sich satt essen

Und Minderheiten werden zur Mehrheit und trotzdem vergessen

Weck mich bitte auf aus diesem Albtraum

Menschen sehen lauter Bäumen den Wald kaum

Man versucht uns ständig einzureden

Dass es noch möglich wär’ hier frei zu leben

Es gibt diese eine Satz da drin „Und Minderheiten werden zu Mehrheiten und trotzdem vergessen“, und da I dont fucking know, that line is fucking moving me, weil ja, Behinderung ist ja keine Minderheit. Es ist halt eine Mehrheit, und in der Pandemie, spätestens da haben wir alle gemerkt wie vulnerabel unsere Körper sind.

tier: Ja und viele sind dadurch auch behindert geworden.

SR: Und trotzdem vergessen… und ich finde es so… „und es sind auch so wenige, und es ist auch neu, und das kann man ja auch gar nicht wissen“, das sind alles so Argumente wo nee, es ist halt völlig egal, wir müssen nicht die meisten werden und nicht die lautesten werden und nicht die meisten Repräsentation erfahren, das sind alles so vorgeschobene Ziele… wir müssen endlich Behinderung gut darstellen, und so… wir sehen was mit trans Menschen passiert wenn wir das als einzige Politik fahren, wir sehen was das mit Latin@s macht wenn wir das als einzige Politik fahren, fucking on the heights, sorry…

Ja ich habe das Gefühl alle diese Zugänge sind immer darauf versessen so den Easy Fix zu finden der einfach ist, weißt du was ich meine? Und am Ende von „This Bridge Called My Back“ gibt es diese fantastische Rede von Pat Parker wo sie irgendwie sagt „The Revolution will be dirty and ugly and chaotic…“ oder so keine Ahnung ich kriege es halt gerade nicht mehr zusammen aber es ist so nice weil sie alles so roasted und sie ist so richtig so „ihr denkt so ihr macht so ein kleinen Fakes und ladet irgendwie eine Person ein aber der Staat ist immer noch so nationalistisch aufgeladen und unterdrückerisch“ und sie ist einfach so „ihr habt ja nichts geändert“. Ihr habt so ein bisschen neuen Lack rauf getan so eine Blume rangesteckt und seid so ja, woher kommt den das Kapital im Staat. Wie wird es denn erwirtschaftet?

Und ich glaube dieses Unfreedom eben nicht als versehen zu sehen sondern als Struktur, also strukturerhaltend ist für mich in dieser Knastfrage einfach total wichtig. Und ich glaube das wird dann so spannend weil mensch sich halt fragen kann, OK aber was bringen Knäste? Also was bringen Knäste Kapitalismus?

tier: Ja, überraschend viel. Da finde ich halt auch eben den Vergleich so extrem spannend. Gehts um diese, ja ich wurde schon sagen Zwangsarbeit oder unfreie Arbeit. Was ja in Knästen ganz viel passiert ist da die Menschen die da drin sind halt arbeiten und diese Produkte oder die Ergebnisse davon dann halt kapitalistisch verwertet werden was ja halt mehr oder weniger das Gleiche ist was in Werkstätte passiert.

SR: Genau, its the same.

tier: Eher so nicht bezahlt oder nur ganz ganz ganz wenig bezahlt.

SR: Es ermöglicht nie mehr wie das eigene Leben gerade zu refinanzieren, und deswegen ist es unfrei, weil frei wäre so für Geld zu erwirtschaften das du damit selbst was anfangen kannst. Das kannst du aber mit 106 Euro oder was das ist einfach nicht machen. Vor allem wenn du das Essen in der beschissenen Cafeteria selber bezahlen muss. Und ich glaube was auch dazu kommt ist wenn dieses ständige Bedrohungsszenario für alle da ist, dann benehmen sich Arbeiter:innen so dass sie keine Rechte einfordern. Weil mensch will ja frei bleiben. Das heisst Arbeiter:innenrechte werden generell nicht eingefordert, das heißt die ganze Bevölkerung kann besser ausgebeutet werden. Weil klar ist, wenn du dich irgendwie daneben benimmst, wenn du arm wirst, dann musst du klauen gehen, und wenn du klauen gehst, wirst du eingesperrt, wenn du eingesperrt wirst, muss du den gleichen Job machen wie vorher, aber du kriegst weniger Geld dafür…

Also es gibt keinen Entkommen, genau…

Und wenn wir dann über Behinderung sprechen, ich glaube da ist es wirklich so dieses wegsperren auch mit den Ugly Laws war ja dann auch zu Hause, da wurden Leute zu Hause weggesperrt, nicht in Einrichtungen. Und wenn wir jetzt über die Veränderung von der Gefängnissystem in den USA sprechen, da sollen die Leute auch zu Hause weggesperrt werden, aber trotzdem werden sie nicht als aktives Mitglied der Community gesehen, und können sich keine Zukunft erträumen.

Und I dont know, ich muss gerade irgendwie an Amiri Baraka denken, der gesagt hat „Let the world be a black poem“, also lass die Welt ein Schwarzes Gedicht werden, wo irgendwie so die Dreckigkeit und ja Komplexheit von Leben beschreibt, und irgendwie sagt ja das Leben ist so, die Polizei jagt dich und schießt auf dich, was machst du, rennst du Weg, oder gehst du zum Cop und sagst „Hey, sorry das ich…“ und irgendwie beschreibt das dieses Gedicht, das Schwarze Gedicht flieht vor der strukturellen Unterdrückung, und dann sagt wie willst du in diesen Zustand dir nicht nur Unfreedom erträumen sondern tatsächliche Freiheit. Das geht halt gar nicht, weil du ständig unter 15.000 Angstszenarien Alltag navigierst.

Und ich glaube das ist das so weswegen Knäste von uns ferngehalten werden, also wortwörtlich.

tier: Genau, das soll nicht sichtbar sein, das soll nicht irgendwie Teil des Stadtbildes sein. Oder irgendwas wo…

SR: …wo Heilung passiert oder so. Ne, es geht darum zu sagen, es ist so ein waberndes „du weißt das gibt es“. Sei nicht zu Queer, sei nicht zu verrückt, sei nicht zu behindert, sei nicht zu Schwarz, sei nicht zu widerständig, sei nicht zu… Weil es kann dir auch passieren. Auf dem einen oder anderen Weg, aber es kann dir passieren. Und es ist so dieses, wenn du diesen krassen Kontrast hast, wenn du wirklich eine Form von Slavery hast oder Incarceration, dann findest du dich ab damit dass Unfreedom das Beste ist was für dich drin ist.

tier: Ja weil es ja trotzdem diese Art von Unfreiheit, diese schwebende oder drohende Unfreiheit ist trotzdem besser als weggesperrt sein.

SR: Genau, und ich glaube das ist so das wo ich gerade so ein bisschen stehe, dieses holy shit, es verhindert wirklich Träumen, wenn man sich nichts erträumen kann, dann ja…

tier: Und auch dieses für dann auch marginalisierte und für allem arme Leute die von Behörden abhängig sind, das ist ja auch eine weitere Form von krasse Unfreiheit. Weil die gräbschen so viel rein in das Leben, und entscheiden über Sachen, das du eigentlich gar keine eigenen Entscheidungen treffen darfst weil es ja dann gegen irgendwelche Bestimmungen oder Quoten ist, und…

SR: Ich muss wieder an Weck Mich Auf denken, dieses keine Ziele nur Träume haben. Ich habe das Gefühl wir reden ganz viel über Träume und ganz wenig über Ziele. Wenn wir sagen, ich träume, ja ich träume mir eine Welt… wo Behinderte genau so behandelt werden wie nicht-behinderte. Und das klingt dann super gut, und wenn ich auf eine Panel eingeladen bin und alle sind so, yay, das klingt ja, da kann keiner was gegen haben.

tier: Ne, kann ja keiner sagen ich bin für mehr Unterdrückung!

SR: Aber wenn ich sage mein Ziel ist dass nicht-behinderte Menschen finanziell benachteiligt werden damit behinderte Menschen tatsächlich einen Zugang zu Gesellschaft kriegen, und das sind meine fünf Schritte um zu diesem politischen Ziel zu kommen, phewph

tier: Ne, das kommt nicht gut an.

SR: People doesnt like that.

Ja, vielleicht ist das wirklich was ich mir so wünsche, im Bezug auf das Thema Unfreedom. Das wir uns mehr trauen Ziele zu haben und nicht nur Träume. Also es ist schön von einer Welt ohne Knäste zu träumen. Aber…

tier: Was wären die Schritte um tatsächlich da hinzukommen?

SR: Ja, was sind unsere Ziele. Und dann kommen wir wirklich zu Community-Verantwortung tatsächlich. Weil trotzdem gibt es Momente wo Menschen nicht im selben Zirkel wie anderen Menschen Leben sollten, oder wo Menschen ganz akut Hilfe brauchen in einer Form die vielleicht Unfreedom erstmal mit einschließt. Aber fast immer ist die Antwort halt bis jetzt haben wir das Problem auch nicht gelöst gekriegt mit Knästen. Es ist auch keine Form von Sicherheit. Deswegen wäre die Frage was ist das Ziel? Also wollen wir eine Idee von weißen Frau sein, das weiße Frau sein was in einer kompletten Sicherheit lebt? Und alle anderen leben deswegen in komplette Bedrohung und Unsicherheit. Weil das ist ja das woher dieses Klasssystem kommt. Oder wollen wir tatsächlich darauf hinarbeiten dass in ein Paar Generationen ein höheres Maß an Sicherheit da ist für Alle.

tier: Ja und dann für Alle, und dass heißt dann auch Privilegienverlust für gewisse Menschen und Gruppen.

SR: Voll voll voll. Und das ist vielleicht der Unterschied zwischen Ziele und Träume. I dont know irgendwie fühle ich die Line total. Ich glaube ein Traum kannst du halt jeden verkaufen. Aber ein Ziel schließt halt negative Effekte mit ein.

tier: Ja voll, ein Traum ist halt eher so Utopie, und wir kommen einfach dahin ohne irgendwelche Arbeit dafür zu leisten.

SR: Oder ändern zu müssen. Oder zu verstehen das etwas erstmal vielleicht unangenehm ist.

tier: Ja das ist auch wieder dieses Veränderung.

SR: Ich finde das so witzig, zum Beispiel gibt es dieses Frankfurter Urteil aus der Krüppelbewegung. Also es ist nicht aus der Krüppelbewegung, es ist aus dem ableistischen Gesellschaft, die haben nicht das Urteil gefällt!

tier: Ja das geht sehr Hand-in-Hand mit den Ugly Laws. Das war in den 80ern, da ging es um eine nicht-behinderte weiße Frau die Urlaub gemacht hat in einem Hotel und dann waren gleichzeitig mehrere Behinderte, mehrere Krüppels die da Urlaub gemacht haben. Und das hat die Frau so gestört dass sie dann geklagt hat, dass ihr ja der Urlaub versaut wurde durch den Anblick von, das war ja ganz unschön, dieser Anblick von diesen krüppligen Körpern die da irgendwie mit im Frühstücksraum dann auch gefrühstückt haben! Um Gottes willen! Auch Urlaub gemacht haben.

Und da gab es dann ein Prozess im Frankfurt am Main, und da wurde diese Frau halt stattgegeben und die hat dann irgendwie Schmerzensgeld erhalten…

<Ungläubiges Gelächter>

SR: Dieses Urteil war dann auch so ja natürlich dürfen alle Urlaub machen und man hat wenigstens im Urlaub Anspruch ohne diesen Anblick…

tier: Ja dass ist schon so anstrengend im alltäglichen Leben…

SR: Weil wir auch so krasser Teil vom alltäglichen Leben sind!

tier:: Es ist schon anstrengend genug diese…

SR: ganzen anderen Nicht-behinderten die bei ihr arbeiten zu sehen… sogar im Urlaub.

Und ich finde das halt so krass weil wenn wir da mit Traum reagieren würden dann würden wir sagen ja, ich finde das zeigt auch immer dass das fast so eine libertärer Haltung ist, dieses träumen so, das wäre schon schön wenn Leute das verstehen würden, und dann wird oft so ableistisch dagegen argumenstt, so ja wenn Leute nicht so dumm wären und sowas sagen würden, und OK aber das ist halt Traum.

Die Wahrheit ist dass es gesellschaftliche Unterdrückung ist, und mein Ziel wäre das jemensch so eine Klage einreicht und das Gericht sagt so…

tier: Was ist das?

SR: Was läuft bei dir schief?

tier: Das so was nicht mal verhandelbar wäre.

SR: So, es gibt so diese UN Behindertenrechtskonvention, hier ist eine Kopie, tschu mit u, dürfen da kein Urlaub mehr machen. Genau und das wäre so ein Ziel zu sagen, wie kann irgendwie Rechtsschutz ermöglicht werden in so einem Moment wo selbst wenn quasi, ich stelle mir diese Szenerie im Hotel vor, dann springt sie irgendwie auf und sagt „ich werde euch verklagen weil ihr frühstückt“ … die sitzen da mit Marmeladenbrot und so… es ist morgens ich habe noch kein Kaffee gehabt… hör auf zu reden… das in dem Moment quasi diese Äußerung verhandelt werden kann, das wäre halt ein Ziel. Dann wäre die Frage wie kommen wir da rechtlich hin. Das fehlt mir oft bei diesem Aspekt, und das ist vielleicht die Art wie wir in Deutschland darüber sprechen, weil ich sage jetzt, in der nächsten Folge sprechen wir über Care Webs, und über Dreaming Disability Justice, aber ich habe das Gefühl Leah Lakshmi hat dann ein viel cooleren Zugang zu gefunden, was dieses Dreaming sein kann.

tier: Genau, träumen über… Hilfekonstellation… und…

SR: Aber vielleicht belassen wir es dabei für diese Folge, many food for thoughts.

tier: Auf jeden Fall, das ist kein Thema was einmal umrundet und abgeschlossen werden kann, sondern das ist einfach nur ein kurzer…

SR: …Einstieg in die Gedankenwelt. Genau, wir packen euch eine Literaturliste rein wie immer… ganz viele Bücher die ganz toll sind… und genau das war unsere Video-Podcastfolge.

tier: Ich weiss jetzt nicht ob wir noch sagen wo wir zu finden sind…

SR: https://rampereicht.de, bei Insta auch als @rampereicht…

ST: …und in eurem Podcastfeeds.

SR: Ihr findet mich unter @SchwarzRund…

tier:: …und mich unter @simo_tier

SR: Hey! Ab sofort ist mein Gedichtband verfügbar. Ihr könnt ihn euch vorbestellen unter https://auserklaert.de

Er wird erscheinen in der Edition Assemblage. Er umfasst Gedichte, Essays, und u.A auch ein Manifest gegen die Erklärung, den Erklärungswut, und überhaupt den Erklärungszwang.

Checkt aus auf auserklaert.de wie ihr den Gedichtband vorbestellen könnt.

<Musik>