Folge 7 Staffel 3

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SR: Rampe?

tier: Reicht!

SR: Ein visueller Video-Podcast über…

tier: Heute reden wir über Care Webs, also über Hilfeleistung und alternative Ideen und dazu haben wir uns ein speziellen Text angeguckt, oder schon länger mit gearbeitet auch, von Leah Lakshmi Piepzna Samarasinha, und ich hoffe wir sprechen das richtig aus.

Dieser Text ist das erste Kapitel aus ihrem Buch „Care Work“. Genau, magst du vielleicht damit ein bisschen anfangen, weil du gerade auch zu diesem Thema viel arbeitest, und auch ein Seminar dazu gehalten hast.

SR: Genau, „Care Work: Dreaming Disability Justice“, aber wir konzentrieren uns heute vor allem auf die Care Webs. Und Webs wirklich so wie so ein Spinnennetz, kann mensch sich das vorstellen, also viele Verästelung, viele Verzahnung, und ja ich habe in meinem Seminar mit mein Studis darüber gesprochen und du warst ja auch bei der Sitzung dabei, als Star-Gast,

(Beide lachen)

und, genau, ich fand das total spannend dass wir das hingekriegt haben beides zu beleuchten, also einerseits ist natürlich diese Fürsorge die wir als Behinderte für andere Behinderte leisten, die Fürsorge die in Schwarzen Communities für Schwarze Community geleistet wird.

Aber vielleicht fangen wir an with the dirty part, also warum ist es überhaupt notwendig, und da fangen wir einfach an mit einer Zeile aus dem Lied was uns einfach berührt, und das ist von Weck Mich Auf von Samy Deluxe. Und da gibt es diese eine Zeile, „Verwaltet von Bürokraten die keine Gefühle haben“. Woran erinnert dich diese Zeile?

tier: Das ist eigentlich wie halt das Wort Pflege oder Hilfe, Assistenz, Hilfeleistung für behinderte, chronisch kranke, usw Menschen, wo wir das herkriegen ist halt über Anträge die wir bei Behörden, bei gefühllose Bürokrat*innen stellen. Und das ist sehr nervenaufreibend, sehr bürokratisch, oft, für Menschen mit verschiedenen Behinderungen oder Neurodivergenzen sehr schwierig, wie für mich zum Beispiel. Ich kann überhaupt kein Behördendeutsch verstehen. Und ja, ich beantrage Hilfe um jemand zu haben der diese Briefe und Texte für mich liest, aber dafür muss ich diese Texte lesen und diese Briefe verstehen, um die Hilfe zu kriegen. Und das geht schon seit Jahren und genau, aber gleichzeitig obwohl ich auf diese Hilfe und Unterstützung und Assistenz warte die ganze Zeit, bin ich trotzdem in der Situation wo ich behindert bin, und angewiesen auf Hilfe und Assistenz. Und die wird dann geleistet von meinem sozialen Umfeld.

MUSIK

SR: Genau, ich mag nochmal kurz so zwei Punkte zurückgehen, damit wir das wirklich in der Langsamkeit besprechen die es braucht. Das haben wir schon im Seminare gemerkt, für uns ist es so alltäglich dass es manchmal schwer ist den Finger drauf zu legen. Es gibt eine ganz fantastische Podcastfolge vom WDR, die heißt „ein Satz mit 108 Wörtern“.

ST: Ja

SR: Die ist so gut.

ST: Da geht es um das Bürokrat*innendeutsch. Und wie barrierevoll das ist, wie unsinnig das ist, wie…

SR: …klassistisch, rassistisch…

ST: Genau. Und wie eigentlich niemensch das wirklich versteht, nicht mal die Menschen die das schreiben müssen.

SR: Genau, das passiert auch mehr und mehr, das mensch ein Brief kriegt, und man sagt da steht das drin, und mensch hat es sogar verstanden, und dann ruft mensch da an und sagt in dem Brief steht ja das, und dann sagen die ja das ist nur ein Textblock… und mensch ist so, ja aber ihr habt mir das als Text geschickt… und genau, da wird es historisch aufgearbeitet, wie sehr juristische Angst dazu geführt hat dass in dem Behörden Leute die oft beschissene Anstellungsverhältnisse haben sich gar nicht mehr trauen was zu verändern an der Sprache. Und deswegen diese Sprache übernehmen und immer mehr Textblöcke schreiben die immer weniger Leute verstehen.

Es zeigt dass niemensch… es ist nicht dass es eine neurotypischer Norm wäre diese Text gut zu verstehen, und wir sind zu defizitär das zu verstehen…

ST: Ja das ist wirklich das Problem, dass alle für sich denken, und vielleicht sich schämen, oh mein Gott ich verstehe das nicht, aber die wenigsten verstehen das.

SR: Und manche Sachen davon sind einfach nicht verständlich.

ST: Ja genau.

SR: Es war auch total spannend in diesem Podcast haben die auch so eine Prüfung gemacht, dass wirklich Linguist*innen geschaut haben was sagt dieser Satz, und bei ganz vielen Sätzen einfach das Ergebnis dieser Satz sagt einfach nichts, es sind viele Wörter in einer Kette, die zu keiner Aussage führen, und irgendwie war das für mich total empowernd das zu hören. Dieses, es ist nicht das es einfach zu verstehen ist und ich mich gerade blöd anstelle. Da steht einfach nichts drinne! Deswegen finde ich es so cool dass wir jetzt dahin kommen einander zu unterstützen, weil manchmal hilft es wer anders das lesen zu lassen und dann sagt da steht nichts drinne, und dann ruft mensch an und sagt können Sie mir bitte den zweiten Textabsatz erklären und sagt ach ne das ist nur ein Textbaustein und ich bin so… was für eine absurde Struktur. Und dieses „verwaltet von Bürokraten“ ist wirklich genau das. Wir werden nicht versorgt von Bürokrat*innen, wir werden nicht umsorgt, sondern verwaltet. Wir sind eine Verwaltungssache.

ST: Ja, wir sind eine Akte, irgendwie, die von links nach rechts geschoben wird, und wenn gerade irgendwie was ist dann, was in meinem Fall jetzt war, dass ich ganze lange eine Bürokratin hatte die sich um mein Antrag gekümmert hat, und dann würde da was irgendwie umgestellt, und jetzt gerade wo der Entscheidungsmoment quasi ist, und alles sich jetzt gerade ändert, war die so „jetzt bin ich nicht mehr zuständig, jetzt ist diese andere Person zuständig.“

SR: Nach irgendwie 4 Jahren Prozess oder was es ist…

ST: Genau, das ist halt völlig… ich weiß gar nicht was für eine Person das jetzt ist, die andere habe ich häufiger getroffen, jetzt bin ich einfach so ein Fragezeichen…

SR: Das ist halt glaube ich diese Zeitebene über die wir zu wenig sprechen, wir sagen „ja der Staat muss auch irgendwie das persönliche Budget einräumen“, das stimmt, aber wie schnell kommt man da ran. Und eigentlich muss man innerhalb von 14 Tagen ran kommen. Und in den 14 Tagen braucht es eine Notfallversorgung über die Krankenkasse. Aber das ist so weit weg von der Realität!

ST: Nee und auch bei Kurzzeitpflege, also hatten wir auch, als du in Krankenhaus warst und eigentlich, den Anspruch gehabt hättest für tägliche Wundversorgung zu Hause,aber das war zu kompliziert um da ranzukommen und dann habe ich das halt gemacht.

SR: Ja, und dann hast du meine Wundversorgung gemacht.

ST: Was halt, mache ich gerne, aber eigentlich ist das völlig absurd.

SR: Es ist völlig absurd, und dann haben wir richtig ärger gekriegt von Chirurg*innen die so waren… Eure Wundversorgung ist aber nicht state of the art… und wir waren so…

SR: Wir sind Künstler…

ST: Wir sind kein Pfleger…

SR: Ich kann was nettes, kann eine Blume drauf malen…

Und wurden irgendwie in so komische Fachdebatten… Weißt du noch dieses was von in die Wunde reinlegen sollte, ja oder nein…

ST: Ja genau, dann war die so sauer dass ich das gemacht habe, und die andere Pflegerin hat gesagt ich soll das machen…

Das ist eben dieses, warum, wenn sowas passiert, warum wird nicht im Krankenhaus gleich gesagt „ey du brauchst diese Wundversorgung, hier, da musst du anrufen und da kommt jemand.“ Oder „hier ist der einseitige Antrag…“

SR: Oder „morgen kommt die Person wo… wie ist ihre Addresse nochmal, passt Ihnen 12 oder 1 besser? Weil die Wahrheit ist, nach der Narkose war ich völlig durch, konnte nicht schlafen, bin dann irgendwie mit meinem halb-offenen Oberschenkel weggerannt…

Ja I dunno, das ist halt Care Webs, ich habe oft das Gefühl das Leute denken das wäre so eine durchdachte Entscheidung die man so fällt. Dann so Fürsorge… ist alles schon das christliche Modell. Die Wahrheit ist einfach wenn du wahrnimmst dass du nicht nur mit nicht-behinderten Leute rumhängen willst, dann wird Care in einer Form eine Rolle spielen die sie sonst nicht spielt.

Und genau, Leah Lakshmi macht diese coole Unterscheidung zwischen dem Crash-and-Burn-Modell und dem was sie eher so als Collective Care bezeichnen würde. Magst du kurz erklären was das Crash-and-Burn-Modell ist?

ST: Crash and Burn, einfach dieses dass… vielleicht irgendeine manchmal medizinische Krise ist, dann muss mensch ganz schnell einspringen, und die Familienangehörigen oder Friends oder beides pflegen und dann zum Beispiel so einem Fall falls sag mal so in der sag ich mal weißen linken Szene jemensch mal ein Unfall hat und dann sind auf einmal alle da und helfen, aber vielleicht nur für die ersten Paar Wochen, und dann ist klar die Person ist langzeitig krank oder wird durch diesen Unfall oder so behindert und dann fallen alle weg weil das alles über einen längeren Zeitraum nicht tragbar ist, und das ist halt das was oft passiert vor allem in Abled kreisen, dieses OK ich helfe dir jetzt die eine Woche, und danach…

SR: … muss du dann wieder gesund sein… … in dem Sinne so…

ST: Da gibts halt nicht diese Vorstellung das könnte auch was langfristiges sein.

SR: Ja und Crash and Burn, also Unfall und sich ausbrennen im Sinne von, man hat eine Woche da macht man nichts anderes, man schläft nicht und macht nur das, und…

ST: …das ist überhaupt nicht nachhaltig.

SR: Das ist überhaupt nicht nachhaltig, ich glaube dieses Crash-and-Burn-Modell funktioniert halt nur wenn du denkst das alles irgendwie gesunden kann. Oder du Leute eine gute Genesung wünscht oder so, und die Idee hast von…

ST: …Pflege passiert nur kurzweilig und danach ist alles wieder gut.

SR: Danach ist alles wieder Abled.

Und da hat Leah Lakshmi als braune queere Behindertenaktivist*in geschrieben, und schreibt halt dass es eigentlich Collective Care braucht, also nicht nur eben Wundversorgung, sondern tatsächlich eine gemeinschaftliches sich kümmern. Und dann reicht es halt auch wenn jemand zum Beispiel gerade eine Krise hat. Anstatt ein Crash-and-Burn zu machen, sagen wir sechs Wochen geht es, und die Person kann gar nicht kochen, dann statt das eine Person sechs Wochen lang am Stück kocht, kann dann jede Person dann mal vorbeikommen und mal eine Suppe kochen. Weil es einfach jeder kennt mal für jemand eine Suppe zu kochen. Weil das nichts ist was völlig weggehalten wird.

ST: Das ist keine Ausnahme…

SR: Es ist Alltag. Genau, und ich glaube das coole an diesen Care-Webs ist halt wenn du das aktiv bespricht dann kannst du auch aktiv darüber besprechen das es einem manchmal überfordert. Weil halt klar ist eigentlich müsste sowas auch staatlich mitgetragen werden. Und dann kann mensch darüber sprechen weil es nicht heißt „du überforderst mich“ sondern, die Tatsache dass der Staat überhaupt nichts übernimmt von einem Care-Web überfordert mich, was schon eine ganz anderer Sinnzusammenhang ist…

ST: Und dann kann zusammen geguckt werden wie kommen wir noch an mehr Unterstützung, und dann muss die betroffene Person sich nicht durch diese ganze bürokratischen Angelegenheiten völlig alleine durchboxen was auch ein absurdes Modell ist.

SR: Voll, und ich muss daran denken dass bei dem einen Beispiel was Leah erwähnt, es sogar Leute gibt die sich dann um die Orga kümmern von der Care Work. Und das ist die Care Work die die leisten. Die sitzen dann zu Hause und machen Telefonate und Excel-Tabellen.

ST: Ja ich liebe dieses Beispiel. Einfach Arbeitsschritte aufteilen. Weil einfach die Orga an sich schon, woof…

SR: Ja so entmenschlichend ist. Man fühlt sich verwaltet. Man verwaltet sich auch selber in einer Art und Weise. Also irgendwann ist es gar nicht mehr Care was mensch sich selber gibt sondern Verwaltung… Und ich glaube dass ist sowas wo wir auch beide sehr mit husteln, dieses dass wir nicht selber anfangen uns nur zu verwalten…

MUSIK

SR: Heute ist ja ein bisschen der Podcast im Film, das heißt wir werden heute aufgenommen von wiederum zwei anderen Menschen, und ja, was sind eure nachfragen zu den Care Webs?

Li: Bei diesen Care Webs geht es also viel darum einander zu unterstützen, Care sichtbar zu machen, und langfristige Strukturen dafür aufzubauen. Wie nimmt ihr das im aktivistischen Kontext wahr? Wird diese Art von Community-Building als wichtig gesehen, und wird das überhaupt als Aktivismus wahrgenommen?

Also allgemein, aber gerne auch bezogen auf diese stereotypisch weiß-christlich-dominierten aktivistischen Gruppen, die ja oft am meisten Aufmerksamkeit bekommen?

ST: Ja, es geht oft um reproduktive Arbeit, und wenn wir dann darüber reden, ist das ja, würde ich schon sagen bekannterweise die Art von Arbeit die in aktivistischen Kontexten sehr unsichtbar bleibt, und unsichtbar gemacht wird auch, und halt sehr gegendert ist, von Frauen und Femmes, und was mir halt…

SR: Und sehr racialised auch.

ST: Das total, was mir als Beispiel einfällt ist als der Krieg vor ungefähr ein Jahr angefangen hat und dann viele Menschen aus der Ukraine hergekommen sind, da gabs ja auch noch Schwarzes organisieren zu… also Schwarze Geflüchete aus der Ukraine explizit zu helfen weil das für die ja oft ein bisschen schwieriger war. Und da gabs halt auch Aufrufe für verschiedene Tasks die gemacht werden konnten, und das fand ich irgendwie gut, weil die die das organisiert haben waren sowieso total überarbeitet und überfordert, und da gabs dann Leute die wirklich so Listen gemacht haben an Sachen die wirklich gemacht werden müssen. Also Beschaffung von Medikamenten, Essen und so weiter, und dann konnte mensch sich da eintragen.

SR: Und es gab halt auch noch diese Telegrammgruppe wo dann zum Beispiel Leute die Spenden sorstt haben gesagt haben an dem einem Abend gesagt haben wir können irgendwie sorsten und da sind auch genug Leute wir brauchen jetzt zu Essen. Nicht Essen das wir zubereiten müssen, dass jemand herkommt und sagt hier ist eine Kiste Essen, ess.

Und dann habe ich einfach Pizzen hinbestellt. Weil das war in dem Moment, es war noch Pandemie, ich konnte nicht vor Ort helfen.

ST: Aber dann ging das halt, dann wurde es auch Leute wie uns möglich gemacht in dieser Situation zu helfen, obwohl wir vielleicht keine Kisten schleppen konnten oder vor Ort irgendwie…

SR: Ja genau, und teilweise waren die Leute vor Ort dann zu gestresst zu tippen, und haben in Sprachnachrichten ihre Nachrichten aufgenommen, und dann haben Leute wie du und ich von Zuhause aus von Telegramm verschriftlicht. Also, so Kleinigkeiten. Oder haben aus Fließtexten Bulletpoints gemacht. Da geht es nicht um Arbeit die anerkannt werden muss oder wird, sondern es geht darum…

ST: Das muss jetzt passieren, aber es muss halt so gespreadet werden.

SR: Genau, und ich glaube das ist für mich auch Care Webs aus so einer aktivistischen Perspektive heraus.

MUSIK

SR: Und ich glaube für uns ist es einfach gerade krass, also uns im Sinne von uns drei jetzt hier gerade dass unser Care Web jetzt eine Verletzung hat die eigentlich nicht in aktivistischen Kreisen verstanden werden kann. Weil unser Haupt-Caregiver war der zweite Hund.

ST: Ja, weil quasi ein Assistenzhund ist halt weg.

SR: Und der Assistenzhund der halt… und ich sage manchmal passive emotionale Assistenzhund … no offense (redet mit Vanja) … du machst das auch ganz toll… das macht er halt schon 

ST: Ja das war halt der cPTSD Hund

SR: Der hat gemerkt wenn man dissoziiert hat, und der hat es nicht nur gemerkt und Bescheid gesagt, sondern der hat dich dazu geprügelt dich um dich zu kümmern. 25:36

Du konntest ihm sagen, ja ich habe es mitgekriegt, ich dissoziiere nicht, und der hat gesagt pfft ja

ST: Das reicht nicht…

SR: You can’t fucking lie to yourself…

ST: Essen, trinken, auf Klo gehen und so…

SR: Und der hat dich dann dahingehütet. Zu jedem einzelnen Gegenstand. Und der hat Panikattacken detected, der hat uns gegenseitig angezeigt wenn die andere Person gerade abrutscht, also der hat unglaublich viel Transparenz- und Kommunikationsarbeit übernommen für uns, aber eben auch für Wanja. Der hat geguckt dass wenn wir auf dem Hundeplatz waren, so kleine Sachen, dann kicken bei uns beiden so OCD-Sachen rein, so wir müssen auf dem Hundeplatz, weil wenn man dahingeht dann geht man da auch rauf. Und er war derjenige der gesagt hat “That’s fucking ridiculous”.

ST: “Das ist zu gefährlich für ihm gerade” (zeigt auf Wanja).

SR: Da sind drei Hunde, der eine ist komisch, da gehen wir jetzt nicht rauf. Der war einfach so krass im Moment, und war so gut daran Daten für uns aufnehmbar zu machen… Das könnte kein Mensch ersetzen. Das könnte auch keine Verwaltung ersetzen.

ST: Nee, und zum großen Teil kein anderer Hund.

SR: Ich glaube das ist halt auch Care Webs, dass sie eben nicht nur aus Menschen bestehen sondern auch aus Orten und aus Lebewesen, und aus Musik und aus Essen und…

ST: Und dann eben was dazu kommt einfach dieses was heißt was anderes für Leute die dann auch keine sag ich mal Ursprungsfamilien haben in ihren Leben, also…

SR: Und ich glaube wenn mensch quasi fragt wie ist das in weißem aktivistischen Räumen, naja es wird noch immer überall geschrieben bitte bringt keine Hunde mit und wenn mensch sagt wie ist es mit Behindertenbegleithund und gesagt wird ja ist schon OK aber bitte sagt vorher Bescheid. Also, nee, das steht in dem UN-Menschenrechtskonvention dass mensch Begleithund mitnehmen darf, Punkt. Da muss mensch nicht vorher Bescheid sagen, muss nicht 2 Wochen vorher wissen, sondern…

ST: Aber es wäre gut das trotzdem immer rein zu schreiben weil es ja, also,

SR: …einfach ein doofes ankommen ist… Wenn du ankommst und erstmal irgendwie beweisen muss dass der Hund dabei sein darf… Und ich finde es halt so skuril in weißen Räumen dass das zum Beispiel… das ist nur so ein Beispiel, ich mache das gleich ein bisschen größer, aber wir sind so schlecht daran Bedürfnisse zu bewerten in ihre Wichtigkeit. Und klar es ist total doof eine Hundehaarallergie zu haben und deswegen nicht in den Raum zu können. Aber dafür gibt es halt Citerazin, dafür gibt es halt Medikamente. Oder Fenster auf, oder an dem ein Tag kommte eine Person, an dem anderen Tag kommt der andere Person. Aber wenn wir generell verbieten dass zum Beispiel Hunde mitkommen dürfen, nee, deswegen gehen wir zu ganz vielen Stammtischen nicht. Weil das einfach, erstens ist das eine Versorgungsfrage, aber zum Beispiel mit Monkey war das einfach für mich total schön, ihn dabei zu haben, weil mich das halt mutiger gemacht hat, weil das mich erinnert hat an wichtige Tagesabläufe, der war ja auch unsere Uhr, der hat unsere Zeit gestoppt, und hat gesagt irgendwie so ja das waren schon dreißig Minuten Arbeit und jetzt wird Sima müde und Melina ist überfordert und… genau, und das hat er halt so mitgeschnitten, und das wäre halt bei sozialen Treffen so total essenziell für uns. Und daraus entsteht ja Aktivismus, der entsteht aus diesen Stammtischen zum Beispiel, aktivistischer Kontext, und daraus werden wir aktiv dann ferngehalten, mit so einem komischen Behinderungselement, die Argument von wegen “aber was ist denn mit Allergikern”?

ST: Das finde ich so spannend, weil wir auch Allergiker*innen sind, aber ich gehe auch nicht dahin und sage so, “hier ist aber ein Baum…”, also…

SR: Was ich daran glaube ich so unglaublich schräg finde, ist so dieses ich kann nicht mein kPTSD zu Hause lassen. Also… weißt du… Aber das zeigt halt schon dass physische Behinderung immer über psychischer steht, dass selbst sowas wie eine Hundehaare Allergie, über einem kPTSD steht. Was wenn du dich damit beschäftigt, entschuldigung es kann niemand vor mir legitimieren. I know it stinks to have allergies, aber ja wir sind halt einfacher rauszuhalten… wir verschwinden dann wieder…

ST: Ja, traumatisierte Menschen.

SR: Menschen die ein Assistenzhund nutzen wegen… Diabetes, und alle diese Sachen, und ja, ich glaube halt der Unterschied bei Care wenn Ste mit Teil vom Netzwerk sind, ist das die Care halt eben nicht nur Verwaltung ist. Sondern das geht einher mit Zuneigung, mit Versorgung, mit Zärtlichkeit, und auch mit so einer Gegenseitigkeit. Also klar, hat sich Monkey ganz toll um uns gekümmert, aber wir müssten uns auch viel um ihn kümmern. Und ich glaube dafür sind halt viele weiße Kontexte noch nicht weit genug um zu verstehen dass Care auch verlangt dass das ganze Leben überall dabei sein darf. Und nicht nur dieser einen Ausschnitt der gerade in den Diskurs passt.

ST: Ja und dieses, das komplizierte bleibt zu Hause, das hässliche…

SR: Das einfache

ST: …Das krüpplige… Und dann draußen ist mensch irgendwie so…

SR: Eine Identität. Das ist der TIN Stammtisch für funktionale Ableds. Aber das steht da nicht drauf, da steht das inklusive, intersektionale TIN Stammtisch. Bringt keine Hunde mit. Hier gibt es überall Schnabes, das Treffen beginnt um 23:40… Lasst Kinder zu Hause. So… thats not for TIN then.

Und ich glaube so, das klingt vielleicht so “oh ja aber das ist einfach so ein abhängen, was ist denn mit Aktivismus?” – da passiert halt Aktivismus, da lernen Leute sich kennen

ST: Da passiert halt Community und eben Kontakte.

SR: Kontakte zu Austellung, Kontakte zu wir machen so eine Demo, hast du Bock dabei zu sein,

ST: Und einfach Kontakte zu Menschen.

SR: Und das ist so ein bisschen die Frage, will ich denn in so ‘nem Raum gehen und mich die ganze Zeit überfordert und unwohl fühlen, und deswegen nicht kontakten. Oder gehe ich nicht in dem Raum und habe keine Kontakte aber chill wenigstens…

ST: Mit meinem Hund.

SR: Mit meinem Hund aber bin irgendwie Safe. Und ich glaube das ist nur ein Beispiel aber das kann mensch auf viele Sachen übertragen.

MUSIK

ST: Das war gerade ein persönliches Beispiel von uns…

SR: Aber das ist mit Kindern auch nicht anders, so, das ist mit Hilfsmittel nicht anders, das ist mit Zeit nicht anders, dieses “wir treffen uns aber punktlich, weil es für viele auch wichtig ist das alle beim kennenlernen dabei sind”. Wer kann denn bitte punktlich sein? Was ist das für einen Luxus? Zu sagen alle sind um 19 Uhr da, dann müssten wir aber um 3 losfahren dann, dann chillen falls wir zu früh sind. Also Punktlichkeit ist auch schon so eine krasse Barriere einfach. Wenn ich das irgendwo sehe bin ich schon so, bin ich den ganzen Tag schon gestresst, da habe ich keine Lust drauf. Das ist für mich das wo Care halt nicht gesehen wird. Weil eigentlich wenn wer zu spät kommt müssten wir sagen “hey, is all good? Cool das du da bist.” Und die Person sagt “ja ich bin 20 Minuten zu spät weil ich müsste mich um eine Behinderungssache kümmern” und man sagt “hey, gut dass du es gemacht hast”.

ST: Ja ich finde es auch gut wenn mensch gar nichts sagen muss.

SR: Ja klar, voll voll, aber so ist es halt nicht, sondern das man halt gleich die Person… dann kommt man rein und man sagt “ah ja, xy ist zu spät… dann müssten wir nochmal kurz wiederholen”… und ich bin so “hä, wir müssen das eh wiederholen weil die eine Person die hat nur die Hälfte mitgeschnitten, und die dritte Person… die andere Person muss eigentlich die ganze Zeit aufs Klo und traut sich nicht, und…

wieso wiederholen wir nicht Sachen einfach die ganze Zeit?

und das wäre halt Care. Das wäre halt Care in Communities, Sachen mehr als einmal erklären, Sachen an verschiedenen Zeitpunkten ansprechen, keine Kennenlernengruppe am Anfang… the worst… genau. Ja ich glaube so kann das in den Alltag auswirken,

Und wenn Mensch das so sagt klingt das so destruktiv irgendwie, „Mach das jetzt anders“, aber eigentlich kann dass von Anfang an mitgedacht werden.

ST: Ja genau, einfach so ein, wie konzipiert mensch dann solche Treffen zum Beispiel, oder neue Gruppen, dieses was ja oft gefragt wird, “wir sind eine Gruppe aber wie sollen wir dies und jenes dann mitdenken, weil wir schon eine existierende Struktur sind”. Aber was sollte mensch denn bedenken wenn mensch sich neu organisiert, und das, genau, finde ich eher spannend weil es manchmal sehr festgefahren ist mit diesen existierenden Strukturen, neu denken und so, und das ist ja auch so wie ich das kenne, eine Gruppe wird quasi gestartet oder ein Projekt wird gestartet und dann wird geguckt was fehlt uns, und wie können wir das von Anfang an mit einarbeiten.

SR: Ja voll, und das macht Projekte generell zugänglicher, immer, weil du immer für mehrere Leute das enthinderst, und ich glaube es zeigt auch dass du es nie ganz enthindern können wirst.

ST: Nee, genau, genau, kann ja einfach gucken, diese Paar Themen scheinen wir in dieser Gruppe nicht zu überdecken, vielleicht sollten wir uns auf diese Paar Themen fokussieren weil das andere passiert ja eh, weil wir da…

SR: Ja voll, und zum Beispiel dann ein Treffen, ich bleibe jetzt bei diesem Gruppentreffen weil es so plastisch ist, statt zu sagen es ist die eine Struktur wie das enthindert ist, zu sagen immer an jedem geraden Monat ist das so, und an jedem ungeradem Monat ist es aber ganz anders, und deswegen ist es zwar für niemandem jeden Monat zugänglich, aber für alle an einem innerhalb von zwei Monaten. Und da kommen wir aus so ein moralischen denken raus von gut und schlecht sein, sondern eher so…

ST: Ja es gibt halt unglaublich viele verschiedene Bedürfnisse…

SR: Die sich teilweise komplett wiedersprechen.

ST:Ja genau, genau, und ich glaube das ist auch wichtig zu sagen, es ist nichts schlimmes wenn die Bedürfnisse unterschiedlich sind. Es ist halt nicht schlimm wenn halt irgendwo mal eine Veranstaltung ist wo Alkohol serviert wird, aber vielleicht ist es nice ein paar Mal im Jahr eine Veranstaltung zu haben wo das nicht passiert. Einfach um da so einen… Bei ganz vielen Themen…

SR: Die einen sind socially awkward und den hilft dann das Bierchen… und die ziehen dann gerne ihren Joint… ich habe ja auch keine Ahnung von Drogen… die rauchen ihren Joint. Ich kann keine Drogen konsumieren wegen meiner Krankheit, I’m always bad with the vocabulary.

ST: Genau, dass das auch möglich gemacht wird.

SR: Genau, und beim anderen Treffen ist es dann halt anders. Und dann sagt die eine Person so vielleicht … da kann ich gar nicht hinkommen, und die andere Person sagt, kann ich die andere…

ST: Ja genau, dann ist aber hey, wenn es nicht für dich geht, nächstes Mal ist es so…

SR: Ist es anders, genau, das wünsche ich mir halt viel mehr. Weil oft ist dieses Argument, “OK wir haben jetzt schon einen Raum gefunden, jetzt suchen wir die besten Regeln dafür, die eine Art”.

ST: Aber so ist Leben nicht.

SR: Nee, so ist Leben nicht, so sind Menschen auch nicht. Genau ich glaube da kommt auch wieder dieser Care-Aspekt einfach total krass mit rein, weil das ist halt Care bevor du entscheidest.

ST: Ja und dass auch nicht geguckt wird, also einfach dieses hier wäre so ein Raum der organisiert wird, und dann zu fragen, “aber ihr die diesen Raum nutzen könnt, was braucht ihr denn eigentlich?” Ich finde das cool wenn es Leute gibt die Sachen organisieren, don’t get me wrong, es ist super, aber mensch kann auch nicht immer alles mitdenken, und das will ich auch nicht so als Erwartung an irgendwelche Gruppen oder Einzelpersonen stellen, weil das ist kompliziert und schwierig, und Bedürfnisse sind so unterschiedlich, und Barrieren auch, und Accessibility Needs und so. Ein Paar grundsätzliche Sachen sind gut zu wissen, zum Beispiel zu schreiben wie es mit dem Rollstuhl ist, oder wie viele Stufen da sind, oder keine Stufen, oder so, aber das ist wie gesagt Rampe Reicht nicht die einzige Sache die gedacht werden muss, und wie gesagt alles kann nicht mitgedacht werden, aber eine Veranstaltung oder ein Raum kann sich ja dann auch dadurch entwickeln von wem der genutzt wird, dass da halt dann in dem Raum vielleicht darüber gesprochen werden kann was sind eure Bedürfnisse, ihr die diesen Raum benutzen möchtet, oder ihr die diesen Space braucht.

SR: Und ich glaube was mehr als wichtig ist, ist so diese Raum-Frage nicht immer zuerst zu klären, sondern vorher das was der Raum leisten können müsste. Weil gerade bei viele so Kunstprojekte in Kleinstädten ist oft so, aber diese tolle Brauerei wurde uns jetzt zur Verfügung gestellt. Und dann wird versucht da rein so Access zu quetschen, und dann wird alles so legitimiert, ja wir wollen es ja unbedingt da machen. Und es ist immer so ein bisschen…

ST: … da auch ein bisschen Flexibilität… vielleicht.

SR: Ja, oder halt das einfach nicht zu entscheiden bevor nicht klar ist was sind eigentlich so unsere politischen Ansprüche. Und das ist sowas was mich stört. Dass die politischen Ansprüche oft weniger wichtig sind wie die visuellen, also how it looks like, to the outside. Und das würde ich schon sagen, das ist performative im Aktivismus in Deutschland, hochgradig performativ.

ST: Voll.

SR: Ja genau, 2 sehr komplexe Themen die irgendwie miteinander zusammenhängen, diese Frage von Design für Alle, diese Frage von Care Webs, und wo passiert eigentlich Care, im größeren Zusammenhang, und wo nicht. Genau, das war unsere Video-Podcast-Folge. Ich bin SchwarzRund und du bist…

ST: Ich bin SimoSt.

SR: Ihr findet mich unter @SchwarzRund.

ST: Ja, und mich unter @SimoSt. Nicht sehr aktiv auf den sozialen Medien. <lacht>

SR: Und @RampeReicht findet ihr auf Instagram.

ST: Das wird sich demnächst auch ändern… vielleicht können wir…

SR: Ja genau, ihr werdet uns weiterhin unter den ganzen Handles finden, aber wir haben jetzt ein Kollektivnamen… Vamky… V A M K Y… weil wir Lust haben auf noch mehr Projekte auch noch nebst dem Rampe Reicht Podcast.

<gähnt> Jetzt bin ich sehr am Ende meiner Löffel.